Montag–Sonntag
10–18 Uhr
Eintritt 10 €, ermäßigt 7 €,
Kinder / Jugendliche unter 18 Jahren sowie
Schüler:innen / Student:innen unter 25 Jahren Eintritt frei
Die Schwerindustrie des Ruhrgebiets übte seit dem späten 19. Jahrhundert eine große Faszination auf Kunstschaffende aus. In ihren Werken hielten sie die inzwischen häufig verschwundenen Anlagen, die Veränderung der Landschaft und die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt fest.
Die Industriemalerei entwickelte sich zwischen den akademischen Kunstströmungen und der Fotografie. Euphorisch bis kritisch spiegeln die Gemälde verschiedene gesellschaftliche und politische Einstellungen gegenüber der Industrie. Neben Außen- und Innenansichten, Landschafts- und Arbeiterdarstellungen zeigt die Ausstellung ihre romantischen und ideologischen Züge und stellt einzelne Künstler:innen vor.
Der Sammler Ludwig Schönefeld stammt aus dem Ruhrgebiet. Über drei Jahrzehnte hat der Kommunikationsfachmann und Historiker Industriedarstellungen von sowohl bekannten als auch unbekannten Künstler:innen zusammengetragen. Seit 2022 befindet sich die über 1.500 Objekte umfassende Sammlung in der Obhut der Ruhr Museums. Etwa 250 Gemälde und Grafiken wurden für die Ausstellung ausgewählt.
Film: Zeitlupe GmbH
Das Ruhrgebiet ist wie kaum eine andere Region durch die Industrialisierung geprägt. Sie hat es als Einheit und als wirtschaftlich geprägten Bezugsraum überhaupt erst entstehen lassen und aus einer ehemals dünn besiedelten, politisch zerstückelten Agrarlandschaft den bis Mitte des 20. Jahrhunderts größten industriellen Ballungsraum in Europa gemacht. Die Phase der Industrialisierung hat die Region tiefgreifend und dauerhaft geprägt: Sie formte die Bevölkerung durch Zuwanderung, gestaltete die Region als Zentrum von Kohle und Stahl, förderte weitere Industrien und schuf eine umfassende Infrastruktur.
Obwohl das Industriezeitalter im Ruhrgebiet nach einem jahrzehntelangen Strukturwandel inzwischen der Vergangenheit angehört, sind seine Auswirkungen – wirtschaftlich, ökologisch, gesellschaftlich und kulturell – bis heute spürbar.
Die neue Sonderausstellung »Das Land der tausend Feuer. Industriebilder aus der Sammlung Ludwig Schönefeld« ist die erste Ausstellung des Ruhr Museums zum Bild des Ruhrgebiets in der Kunst und lädt dazu ein, das Ruhrgebiet durch die Augen von Künstlern und einigen Künstlerinnen zu entdecken, die die massiven Veränderungen der Region zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Stilen dokumentierten.
Sie ist vom 7. April 2025 bis zum 14. Februar 2026 in den spektakulären Kohlenbunkern auf der 12-Meter-Ebene des Ruhr Museums auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein zu sehen.
Prof. Heinrich Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums, erläutert: »Zu den wichtigsten Aufgaben eines Regionalmuseums gehört, die Erinnerung und Wahrnehmung der Menschen zu dokumentieren: Wie haben Zeitzeugen die Industrialisierung erlebt? Wie empfanden sie den Wandel des Reviers, den wirtschaftlichen Aufstieg und den späteren Niedergang? Und welches Bild verbanden sie mit dem einst so lebendigen ‚Land der tausend Feuer'?«
Die Sonderausstellung mit den Industriebildern aus der Sammlung Ludwig Schönefeld beschäftigt sich mit diesen Fragen. Sie schafft die Verbindung von Kunst und Geschichte und regt zur Reflexion über die sozialen, wirtschaftlichen sowie ökologischen Auswirkungen der Industrialisierung an. Die 240 ausgewählten Werke zeigen, wie Künstlerinnen und Künstler subjektiv den Wandel der Region und die damit verbundenen Herausforderungen in ihren Werken eingefangen haben. Die Auswahl zeigt aber auch die Bandbreite der Kunstschaffenden. Der Intention des Sammlers folgend, werden Werke von bekannteren Künstlern, Autodidakten bis hin zu anonymen Urheberinnen und Urhebern gezeigt. Die Ausstellung unterstreicht damit, dass nicht allein der Name und künstlerische Ruf über die Bedeutung eines Industriegemäldes für die Geschichte des Ruhrgebiets entscheiden.
Die Bilder spiegeln eindrucksvoll die euphorischen, aber auch die kritischen, romantischen und ideologischen Einstellungen gegenüber der Industrie. Die zwischen 1890 und 2010 entstandenen Bilder der Ausstellung künden von den Zeiten, in denen Kohlenförderung und Stahlerzeugung sowie die schwerindustrielle Massenproduktion, aber auch Arbeitskämpfe, Armut sowie Gesundheits- und Umweltschäden im Ruhrgebiet allgegenwärtig waren. »Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Industrie und den Landschaften des Ruhrgebiets reflektiert nicht nur die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen der Region, sondern auch die jeweilige politische und gesellschaftliche Haltung der Kunstschaffenden gegenüber den industrialisierten Arbeitswelten«, erläutert Projektleiterin und Kuratorin Dr. Reinhild Stephan-Maaser. »In den Bildern kommen nicht nur die individuellen Beweggründe und Interessen der Künstler und Künstlerinnen zum Ausdruck, sondern auch die jeweils aktuellen gesellschaftlichen und politischen Diskurse zur Arbeit wie auch zum Verhältnis des Menschen zu Fortschritt und Technik.«
Die Ausstellung ist nach Bildthemen und Motiven in 18 Kapitel gegliedert. Darunter sind Abteilungen wie zum Beispiel »Zechen und Kokereien«, »Untertage« oder »Industrieromantik«. In den Seitenräumen werden spezielle Themen vertieft und einzelne Persönlichkeiten vorgestellt, die eine besondere Bedeutung in der Kunstszene des Ruhrgebiets einnehmen – darunter Herman Heyenbrock als ältester Künstler (1871–1948) und Alexander Calvelli (*1963) als bekanntester lebender Industriemaler.
Die Industriemalerei entwickelte sich zwischen den akademischen Kunstströmungen und der Fotografie und transportiert die unterschiedlichen Einstellungen gegenüber der Industrie. Tatsächlich erstaunt aus heutiger Perspektive der meist positive Blick, mit dem Zechen, Stahlwerke, Kokereien und Industriehäfen als Arbeitgeber und Stätten technischen Fortschritts dargestellt wurden. Aus den unterschiedlichsten Gründen richteten Künstler und einige wenige Künstlerinnen dieser Zeit ihre Aufmerksamkeit auf die Phänomene der Schwerindustrie – häufig gegen den Trend zur Abstraktion in der Kunst der Avantgarde. Industriemalerei war an den Akademien nur selten ein Thema. Die Bilder stießen auch beim zahlungskräftigen Publikum kaum auf ein größeres Interesse. Viele Industriegemälde und -grafiken entstanden als Auftragsarbeiten für die Vorstandsetagen und Printmedien der industriellen Betriebe. Die weiteren Beweggründe erschließen sich häufig aus den Biografien der Künstler und Künstlerinnen: Familiäre Prägungen, die Beschäftigung in einer Zeche oder einem Stahlwerk, Heimatliebe, aber auch soziale Fragen oder die künstlerische Herausforderung bei der Darstellung von Atmosphärischem wie Feuer, Rauch und Dampf sowie die Faszination für Produktionsprozesse waren entscheidende Faktoren.
Hochdetaillierte Szenen, zum Beispiel aus der Stahlproduktion, offenbaren den Industriealltag in einer ganz eigenen Ästhetik. In stilistischer Hinsicht ist der Einfluss des Impressionismus in der Darstellung von Licht- und Farbeffekten, etwa bei den Szenen in den Hochöfen und Kokereien, spürbar. Während Gemälde die Industrie oft idealisieren, betonen Werbegrafiken die Größe und Effizienz der Fabriken – Arbeiter wurden dabei oft nur als kleine, anonyme Figuren im Räderwerk der Produktion dargestellt. Diese Bilder prägten das industrielle Selbstverständnis des Ruhrgebiets und machten den technologischen Fortschritt sichtbar.
Die Industriemalerei diente durchaus auch politischen Zwecken. So wurde industrielle Arbeit als Symbol nationaler Stärke verherrlicht. Manche Künstler zeigten die harten Arbeitsbedingungen, andere stilisierten Arbeiter zu heroischen Figuren. Mit dem Ersten Weltkrieg wurde die Industriemalerei zunehmend patriotisch. Die Gemälde aus dieser Zeit sind oft von einem idealisierten Blick auf die Arbeit und den Fortschritt durchzogen, der die harte Realität des Arbeitsalltags kaum thematisiert. Werke aus der Zeit des Nationalsozialismus glorifizieren die industrielle Leistung als Beitrag zur nationalen Größe, wobei eine enge Verbindung zwischen Arbeit und Patriotismus hergestellt wird. Das Bild des gestählten deutschen Arbeiters als Held war Teil einer breiten nationalsozialistischen Propaganda.
Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die Industriemalerei unter kritische Beobachtung, insbesondere hinsichtlich der Rolle der Künstler im Nationalsozialismus. Es herrschte ein pauschaler Verdacht gegenüber den Industriemalern, allzu unkritisch die Politik des Nazi-Regimes unterstützt zu haben. Dies führte einerseits zu einem starken Rückgang der idealisierenden Industriemalerei, zum anderen zu neuen künstlerischen Auseinandersetzungen, wie zum Beispiel abstrakten Darstellungen, mit dem Thema Industrie. Der Strukturwandel brachte schließlich wieder neue Industriebilder hervor, die verlassene Werke und zunehmende Arbeitslosigkeit dokumentierten.
Die Sammlung Ludwig Schönefeld zählt mit über 1.500 Gemälden, Aquarellen und Grafiken zu den wichtigsten Sammlungen zur Industriemalerei im Ruhrgebiet. Dementsprechend zeigt die Ausstellung die ganze Breite und Dimension der Industrialisierung der Region – angefangen bei den Zechen und Kokereien, den Hüttenwerken und Hochöfen über die Arbeiter in den Werkshallen und Untertage bis hin zur Infrastruktur, der Industrielandschaft und dem städtischen Leben. Über drei Jahrzehnte lang hat Ludwig Schönefeld Industriedarstellungen zusammengetragen.
Initialbild seiner Sammlung ist das Gemälde „Hochofenabstich“ von Fritz Gärtner, welches er 1986 im Keller eines Verwaltungsgebäudes der Frankfurter Hoechst AG entdeckte. Seitdem erwarb Ludwig Schönefeld aus privater und öffentlicher Hand, auf OnlinePlattformen und in Auktionshäusern weitere Industriegemälde und baute im Laufe der letzten Jahrzehnte eine beindruckende Sammlung an Industriebildern auf. Der SammlerLudwig Schönefeld erklärt: »Mir ist es wichtig, in der Sammlung die ganze Bandbreite des künstlerischen Wirkens unabhängig vom Grad der Bekanntheit abzubilden. Industriegemälde haben ganz konkrete historische Bezüge. Sie erzählen die Geschichte der Industrialisierung in unserer Region aus verschiedensten Blickwinkeln. Damit vermitteln sie das Flair einer Zeit, die das Ruhrgebiet und die Menschen im Revier prägte«.
Mit der Ausstellung übergibt Ludwig Schönefeld seine Sammlung in die Obhut des Ruhr Museums. Langfristig wird sie in das Eigentum der Stiftung Ruhr Museum übergehen. Dies bedeutet eine der größten Sammlungserweiterungen in der Geschichte des Museums. Die Sammlung Ludwig Schönefeld ergänzt so zunächst als Dauerleihgabe die umfangreichen Bestände an Realien und Fotografien des Ruhr Museums zur Industrie- und Sozialgeschichte des Ruhrgebiets um den bisher in den Sammlungen nur marginal vertretenen künstlerischen Blick auf die Industriegeschichte.
Ludwig Schönefeld ist ein Kind des Ruhrgebiets: 1964 in Gelsenkirchen geboren, in Wattenscheid aufgewachsen, in Bochum zur Schule gegangen und als Tageszeitungsjournalist in Dortmund ausgebildet. Danach arbeitete der Kommunikationsfachmann und Historiker für verschiedene Unternehmen in derÖffentlichkeitsarbeit, später in internationalen Managementfunktionen. Schönefeld studierte Sozialwissenschaften, neuere Geschichte und Literaturwissenschaft in Hagen. Zu seinen frühesten Erinnerungen gehören der Geruch der Kokereien, der nächtliche Lichtschein der Gutehoffnungshütte oder die Geräuschkulisse der Zeche Osterfeld in Oberhausen.
An der Ausstellung „Das Land der tausend Feuer“ ist Ludwig Schönefeld als Gastkurator beteiligt und stellt so sein Wissen und seine Recherchen zur Herkunft sowie zum historischen Kontext der Gemälde zur Verfügung.
Die Ausstellung wird im großen Sonderausstellungsraum auf der 12-Meter-Ebene der Kohlenwäsche gezeigt. Die einzigartigen Räumlichkeiten mit den rauen Bunkerwänden bieten einen spektakulären Rahmen für die Gemälde und Grafiken.
Zentrales Element der Ausstellungsarchitektur sind vier leuchtend rote Pavillons in der Mittelachse des Raumes. Als wichtiger Orientierungsmarker strukturieren sie den Raum und greifen mit ihrer Farbgebung symbolisch den Ausstellungstitel des „Landes der tausend Feuer“ auf. Gleichzeitig bilden sie einen starken Kontrast zu den mit Kohlepatina gefärbten Wänden der Bunkerebene.
Das zweite wichtige Gestaltungselement ist das Raster aus von der Decke abgehängten Wänden in den beiden Seitenschiffen. Diese freischwebenden Wände dienen als Präsentationsflächen für Gemälde und Grafiken. Sie sind bewusst massiver gestaltet, als es statisch notwendig wäre, um als eigenständige Objekte im Raum wahrgenommen zu werden. Ihre helle Graufärbung schafft eine Wechselwirkung mit dem rohen Beton der Ausstellungswände, wodurch sich Alt und Neu harmonisch verbinden. Sie ermöglichen eine flexible Präsentation der Bilder, ohne den Blick auf das Gebäude zu verdecken. Bewusst wurden die meisten Wände und Pfeiler der Bunkerebene sichtbar gelassen, um so den rohen Beton als prägendes Element des Raumes zu erhalten.
Bei der Präsentation der Gemälde und Grafiken wurden die meisten Originalrahmen beibehalten; ungerahmte Werke erhielten schlichte schwarze Rahmen. Alle Ausstellungstexte und Bildbeschreibungen wurden direkt auf die Wände aufgebracht, damit sie das Gesamtbild nicht stören.
»Unsere Architektur macht die inhaltliche Gliederung sichtbar und sorgt zugleich für eine einfache Orientierung. Die Besucherinnen und Besucher sollen sich intuitiv durch den Raum bewegen können, ohne das Gefühl zu haben, sich zu verlieren«, beschreibt der Architekt Bernhard Denkinger das Konzept.Für das Ruhr Museum gestaltete er schon zahlreiche Ausstellungen. Zuletzt schuf er 2017 mit »Der geteilte Himmel. Reformation und religiöse Vielfalt an Rhein und Ruhr« und 2021 mit »Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr« unvergessliche Museumserlebnisse für die Besucherinnen und Besucher.
Zur Sonderausstellung findet ein umfangreiches Begleitprogramm mit verschiedenen Führungsformaten und Malerei-Workshops statt. Familien mit Kindern können die Gemälde und Grafiken auch spielerisch mit einem Quiz entdecken, das in Deutsch und Englisch kostenfrei in der Ausstellung täglich von 10 bis 18 Uhr bereitliegt. Zudem führt die kostenlose Audioguide-App in Deutsch und Englisch zu 20 ausgewählten Highlights der Ausstellung.
Besonders hervorzuheben ist die Vortragsreihe zum Jahresthema »Das Bild des Ruhrgebiets im Wandel« in der Zeit vom 29. April bis zum 27. Mai 2025: Renommierte Köpfe des Ruhrgebiets berichten in fünf Vorträgen an Dienstagabenden zum »Bild des Ruhrgebiets« in der Kunst, der Fotografie, der Literatur, im Film und in der Erinnerungskultur.
In einer abschließenden Podiumsdiskussion diskutieren dann am 1. Juni 2025 Fachleute im Erich Brost-Pavillon zum Thema »Vom Ruhrgebiet zur Metropole Ruhr und zurück. Das Bild des Ruhrgebiets in der Zukunft«.
Die Schulklassenführungen werden für Klassen der weiterführenden Schulen angeboten, in welchen die Schülerinnen und Schüler zunächst durch die Ausstellung geführt und im Anschluss anhand verschiedener Fotografien ausgewählte Gemälde analysieren und bewerten.
Das Ausstellungsprojekt, das Begleitprogramm und der Katalog wurden unterstützt von der Essener Firma Deichmann.
1 Std., in Deutsch und Englisch
An 20 Stationen führt der Rundgang per App zu ausgewählten Highlights.
320 Seiten, mit mehr als 250 Abbildungen, Klartext Verlag, Essen 2025, 29,95 €
ISBN 978-3-8375-2695-0
Weitere Informationen zur Ausstellung und dem umfangreichen Begleitprogramm finden Sie hier als PDFs zum Download:
Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm begleitet. Führungen und weitere Angebote finden Sie in unserem Kalender:
Kostenlose Audioführung auf Deutsch oder Englisch durch die Ausstellung:
Teilen / Share