Montag–Sonntag
10–17 Uhr
24., 25. und 31.12. geschlossen
5 €, ermäßigt 4 €, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schüler:innen
und Studierende unter 25 Jahren Eintritt frei
In 30 Jahren von der ehemals größten Steinkohlenzeche der Welt zum UNESCO-Welterbe Zollverein: Der Fotograf Bernd Langmack hat den Umbau und die Entwicklung der Zeche und der Kokerei Zollverein von 1992 bis 2024 mit seiner Kamera begleitet. Aus seinen Bildern ist nun ein einmaliges Dokument des Wandels entstanden. Die faszinierende Zeitreise zeigt das Ruhr Museum in der Sonderausstellung »Zollverein. Architekturfotografien von Bernd Langmack« von Montag, 11.11.2024, bis Sonntag, 2.2.2025, in der Halle 8.
Dazu veröffentlicht die Stiftung Zollverein den gleichnamigen Bildband, der im Verlag Walther und Franz König erscheint und eine einzigartige Langzeitaufnahme Zollvereins darstellt. Zusammen dokumentieren die Fotografien eindrucksvoll den Wandel des Wahrzeichens der Bergbaugeschichte zur Ikone der Industriekultur. Museumsdirektor Prof. Heinrich Theodor Grütter sagt dazu: »Bernd Langmack hat Zollverein mit seinen Aufnahmen ein fotografisches Denkmal gesetzt, das als Fotoprojekt Vergleichbares sucht.«
Die Zeche Zollverein ist das Wahrzeichen der Bergbaugeschichte des Ruhrgebiets und inzwischen eine Ikone der Industriekultur geworden. 1848 abgeteuft, wurde die ehemals größte Steinkohlenzeche 1986 als letzte Zeche in Essen geschlossen. 1993 folgte die Schließung der Kokerei Zollverein, der größten Kokerei in Europa. Damit endete ein bedeutendes Kapitel der Industriegeschichte im Ruhrgebiet. Die Zeche und die Kokerei Zollverein wurden jedoch nicht wie viele andere Industrieanlagen im Ruhrgebiet abgerissen, sondern als Denkmalensemble des Industriezeitalters erhalten. Bereits Anfang der 1990er-Jahre begannen die Sanierung und der Umbau der einzelnen Gebäude für eine neue Nutzung, zunächst durch die Bauhütte Zollverein, dann durch die Entwicklungsgesellschaft Zollverein und schließlich durch die Stiftung Zollverein. Erhaltung und Umbau des Industriedenkmals waren so erfolgreich, dass Zeche und Kokerei Zollverein 2001 zum UNESCO-Welterbe erklärt wurden. Nach der Verleihung des Titels erstellte das Office for Metropolitan Architecture von Rem Koolhaas einen Masterplan für einen Standort für Kultur und Wirtschaft. 2010 eröffnete das Ruhr Museum in der umgebauten Kohlenwäsche. Heute ist Zollverein nicht nur ein bedeutendes Industriedenkmal, sondern ein erfolgreicherTransformationsstandort für Kultur und Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft. Diesen einzigartigen Prozess begleitete Bernd Langmack, ohne je eine explizite Agenda abzuarbeiten, geschweige denn die baulichen Veränderungen umfassend dokumentieren zu wollen. Dennoch sind bis heute aus dem Anfangsinteresse 30 Jahre der Dokumentation geworden. Die Anerkennung als Welterbe und die voranschreitende Musealisierung des Ortes stellte und stellt dabei eine besondere fotografische Herausforderung dar, denn das Welterbe wird immer weiter visuell vorstrukturiert und zum Teil schon – als Bild gedacht – baulich inszeniert. Stefanie Grebe, Leiterin der Fotografischen Sammlung / Fotoarchiv des Ruhr Museums, betont: »Es ist immer das persönliche Anliegen, das eine wirklichkeitsbasierte, dokumentarfotografische Arbeit motiviert. Es wird deutlich, dass Bernd Langmack weniger an ästhetischen Oberflächenphänomenen interessiert ist, als an den sozialen und kulturellen Hintergründen des Fotografierten.« Bernd Langmack plant auch weiterhin eine Fortführung des Fotografierens auf dem Welterbe, verfolgt dabei aber keine Systematik und bleibt dem von ihm so bezeichneten »Flaneur-Prinzip« seiner Arbeit treu. Ihr lag nie ein Inventarisierungsbedürfnis zugrunde. Der Fotograf nennt vielmehr »Neugier, Überraschung, Suche nach Ästhetik und Prävisualisiertem« als Motivationen.
Die Sonderausstellung in der Halle 8 zeigt über 120 Fotografien von Bernd Langmack, die den Wandel der Zeche und Kokerei Zollverein von 1992 bis 2024 dokumentieren. Bernd Langmack fotografierte 30 Jahre lang Zollverein und schuf so ein beeindruckendes Langzeitpanorama, das in drei Kapiteln von der verlassenen Zeche bis hin zum lebendigen UNESCO-Welterbe Zollverein zeugt. Im Kapitel »Das Areal Zollverein Schacht XII« zeigen Einzelbilder und Bildstrecken das große Übertage-Areal, in dem zwangsläufig immer wieder das
Fördergerüst im Zentrum steht. Der heute weltberühmte Doppelbock, der Eiffelturm des Ruhrgebiets, ist das Wahrzeichen der Zeche, aber auch das Symbol für Arbeitsrationalisierung, Förderleistung, Baukunst und Repräsentationswillen der Bauherren, der Vereinigten Stahlwerke und der Gelsenkirchener Bergwerks-AG. Die unter nationalsozialistischer Herrschaft
mittels einer gebrochenen Groteskschrift geänderte und seitdem verbliebene Typografie des Schriftzugs »Zollverein« an der Schachthalle ist nach wie vor Anlass kontroverser Diskussionen und für Bernd Langmack ein Politikum – war der ursprüngliche Schriftzug doch in einer zeittypischen serifenlosen, am Bauhaus orientierten Groteskschrift angebracht. Der Ästhetik der Architektur von Schupp und Kremmer wird gehuldigt, indem sie in Ausschnitten und ungewöhnlichen Anordnungen ins Bild gesetzt wird; dabei entsteht eine besondere Spannung, wenn Bernd Langmack die Zeitlosigkeit des architektonischen Stils durch wilde Vegetation vor oder kleine Zeichen des Alterungsprozesses an der funktionalistischen Fassade konterkariert. Das Kapitel »Der Umbau der Kohlenwäsche« zeigt die Verwandlung der baufälligen Kohlenwäsche in ein öffentliches Gebäude, in das Ruhr Museum. Die Perspektive wechselt dabei von außen und ins Umfeld, bis ins Innere und aufs Dach und wieder in die Distanz der nun instandgesetzten Kohlenwäsche. Durch stark angeschnittene Ausschnitte wird die Faszination am Gebäude als Skulptur spürbar. Eine Sequenz zeigt die Arbeiter und Architekten, die den Umbau ausführen. Im dritten Kapitel »Die Kokerei Zollverein« sind jene Fotografien zu finden, die die Kokerei kurz vor Schließung zeigen. Die Bilder vermitteln dabei die technische Funktionalität in voller Sichtbarkeit. Die weiße Seite (Kohlenwertstoffanlage) steht im Zentrum, die schwarze Seite (Koksproduktion) kommt nur mit wenigen Bildern vor. Beide Seiten zusammen bilden die funktionale Einheit der Kokerei. Die Umnutzungen sind nicht in dem Maße möglich wie auf dem Areal von Schacht XII. Es gibt wenige Gebäude, die für neue Nutzungen umgebaut werden konnten, so die Mischanlage in ein weiteres großes Ausstellungsgebäude und die ehemalige Salzfabrik, die seit 2021 das Schaudepot des Ruhr Museums beherbergt. Hierauf folgen Fotografien mit Anlagen, die das technische Verständnis der Betrachterinnen und Betrachter herausfordern.
Der Bildband »Zollverein. Architekturfotografien von Bernd Langmack« präsentiert auf 258 Seiten mit über 120 Abbildungen das Werk von Bernd Langmack. Der Fotograf hat in drei Kapiteln den Umbau der ehemaligen Zeche und Kokerei zum UNESCO-Welterbe Zollverein über drei Jahrzehnte lang fotografisch begleitet. Das Ergebnis ist der vorliegende Band mit Schwarz-Weiß-Fotografien aus der Zeit von 1992 bis 2024. Eine faszinierende Zeitreise über einen der spektakulärsten Orte der Industriekultur. Der Bildband »Zollverein. Architekturfotografien von Bernd Langmack« mit Essays von Achim Pfeiffer und Stefanie Grebe erscheint im Verlag Walther und Franz König und kostet 48 €. Während der Laufzeit der Ausstellung wird der Bildband zu einem exklusiven Sonderpreis von 38 € auf Zollverein verkauft.
(ISBN 978-3-7533-0709-1)
Bernd Langmack, 1951 geboren, lebt seit 1969 im Ruhrgebiet und studierte
Humanmedizin an den Universitäten Bochum und Essen. Neben seiner Tätigkeit
als Internist und Kardiologe in Essen wandte er sich ab den 1980er-Jahren
verstärkt der Fotografie zu. Mit seiner Großformatkamera dokumentiert
Langmack vor allem das Ruhrgebiet und andere Industrieregionen im Stil des
Kritischen Realismus. Seine Arbeiten waren in zahlreichen Ausstellungen zu
sehen, darunter „RUHR-Ansichten“ (2009) und „Was von der Zeche bleibt“ (2018).
Langmack hat zudem mehrere Fotobände veröffentlicht, darunter „STAHL und
STADT“ (2011) und „Was von der Zeche bleibt“ (2018).
Langmacks eigene Motivation der Zollverein-Arbeit entwickelte sich im Verlauf
der 30-jährigen Auseinandersetzung. Anfangs war es der Wille, fotografisch zu
bewahren, dann der Wunsch, seinem Respekt vor der Architektur und den
Landmarken der untergegangenen Montanindustrie Ausdruck zu verleihen,
schließlich die harsche Kritik an den Machtverhältnissen, in dessen Kontext die
Zeche entstanden ist und gewirkt hat. Langmack beschreibt diese Entwicklung
mit folgenden Worten: »Ich betrachte die Fotografie als einen Erkenntnisprozess,
der sich dialektisch entwickelt. Der Gegenstand verändert sich im Laufe der Zeit –
auch der Fotograf, seine Vorstellungen vom Gegenstand und seine Weltsicht
entwickeln sich und mit ihnen verändern sich ebenfalls die angewandten
fotografischen Mittel zur Erreichung der gesteckten Ziele.«
Die Faszination, die Langmack industriellen Großbauten, hier den
Zechenanlagen, gegenüber empfindet, drückt sich in seiner Bewunderung für
die technisch-kulturellen Leistungen aus, die zum Entwurf und zur Ausführung
der Bauten geführt haben. Gleichzeitig ist er sich aber bewusst, dass harte
körperliche Arbeit zum Bau, zur Instandhaltung und zum Dauerbetrieb einer
Zeche unabdingbar war. Den ausführenden Arbeitern gilt genauso seine
Hochachtung wie den Schöpfern der Bauten. Technische Bauwerke und komplexe Kunstwerke sind für den Fotografen gleichrangig, zeugen sie doch
beide von derselben kulturellen Entwicklung, die hierfür die Voraussetzungen
schafft.
Als Bernd Langmack mit seiner Arbeit begann, ahnte er nicht, wie lange er sich
mit dem Thema beschäftigen würde. Ein erster Besuch fand 1991 anlässlich
einer Öffnung für die Bürgerinnen und Bürger statt. Damals war die Zukunft der
Anlage noch nicht gesichert, es fehlten ein finanziell realisierbares
Zukunftskonzept und eine dauerhafte Trägergesellschaft. Das Interesse des
Fotografen war geweckt und es folgten sporadische Besuche, wie es sein
damaliger Beruf als Mediziner erlaubte. Es entstanden die Mittelformatbilder
(6x6), die das Gelände noch im ›verwilderten Zustand‹ zeigen – als erste
Aufräumarbeiten aber schon stattfanden, insbesondere 1991 in Vorbereitung der
Ausstellung der Skulpturen von Ulrich Rückriem als Dependance der documenta
1992. Als der Fotograf erfuhr, dass die Kokerei im Juni 1993 die letzte Schicht
fahren würde, wollte er die letzte Möglichkeit nutzen und die Anlage »unter
Dampf« aufnehmen. Damit zeigte er die häufig anzutreffende Reaktion von
Fotografierenden und historisch Interessierten auf drohende Verluste.
Die Wahl seiner technischen Mittel variierte im Laufe der Jahre, ab 2000
fotografierte Bernd Langmack mit Farbe parallel zum Schwarzweiß-Film. Um
2005 wechselte er aus Praktikabilitätsgründen zu digitaler Fotografie, entschied
sich aber für eine Realisierung der vorliegenden Serie in Schwarzweiß.
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