Das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei, das am 30. Oktober 1961 geschlossen wurde, war ein einschneidendes Ereignis in der wirtschaftlichen, vor allem aber in der gesellschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland. Es war nicht das erste, ihm gingen ähnliche Abkommen mit Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960) voraus und ihm folgten weitere mit Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968). Aber das Anwerbeabkommen mit der Türkei war sicherlich das wichtigste, denn dadurch gelangten mit Abstand die meisten Menschen in die Bundesrepublik und die türkeistämmige ist heute noch die größte Migrationsgruppe in Deutschland. Die Anwerbeabkommen hatten vor allem wirtschaftliche Gründe. Sie reagierten auf den deutschen Arbeitskräftebedarf im Wirtschaftswunder der 1950er Jahre – mit weitreichenden Folgen. Denn viele der sogenannten Gastarbeiter:innen gingen nicht in ihre Heimatländer zurück, sondern blieben in Deutschland und machten das Land in immer stärkerem Maße zu einer Einwanderungsgesellschaft.
Die Ausstellung mit Fotografien von Henning Christoph zeigte die Zeit von Ende der 1970er bis Ende der 1980er Jahre, also die Phase, in der sich viele der ehemaligen türkischen „Gastarbeiter:innen“ entschieden, in Deutschland zu bleiben, ihre Familienangehörigen nachzuholen oder eine Familie zu gründen und hier eine neue Heimat zu finden.
Der deutsch-amerikanische Fotograf Henning Christoph, geboren 1944 in Grimma bei Leipzig, mehrfacher World Press Photo-Preisträger, fotografierte von 1977 bis 1989 das Alltagsleben türkischer Arbeitsmigranten und -migrantinnen in Deutschland mit Schwerpunkt im Ruhrgebiet. In der Ausstellung kam der Fotograf in einem Video-Interview selbst zu Wort und berichtete vom Entstehen seiner Langzeit-Dokumentation über das Leben türkeistämmiger Menschen in Deutschland. Ab 1977 konnte er, vom GEO-Magazin beauftragt, anderthalb Jahre intensiv recherchieren und fotografieren. Unter dem Titel „Die deutschen Türken“ erschienen die Bilder 1979 in einer ersten umfassenden Fotoreportage zu diesem Thema. Die legendäre GEO-Reportage wurde vollständig in der Ausstellung gezeigt.
Die Sonderausstellung im Ruhr Museum präsentierte in mehr als 150 Fotografien in Schwarzweiß und Farbe eine Dokumentation, die von den Freundschaften des Fotografen, seiner Erforschung des türkischen Alltagslebens und gestalterischer Souveränität zeugt. Die Bilder zeigen die Familien bei der Arbeit, in der Schule, auf Beschneidungs- und Hochzeitsfeiern, auf politischen und religiösen Veranstaltungen, beim Einkaufen, Schächten, Verarbeiten von Schafwolle, Kochen, bei Reisen in die Türkei und bei dem Besuch des Ölringens. Es entsteht ein Gesamtbild unterschiedlicher Gruppen türkeistämmiger Familien, die – oft dem persönlichen Wunsch nach Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse folgend – die Arbeitsmigration nach Deutschland wählten.
Ein Film von zeitlupe.tv
Während der Laufzeit der Ausstellung findet ein umfangreiches und partizipativ angelegtes kulturelles Rahmenprogramm statt.
Es umfasst unter anderem Gesprächsabende mit dem Fotografen der Ausstellung Henning Christoph, Fotografie-Vorträge, ein Erzählcafé, einen Schreibworkshop, Filmabende, eine Lesung, Kochkurse, Exkursionen und einen Vorlesetag.
Das komplette Veranstaltungsprogramm finden Sie hier zum Download:
Der von Heinrich Theodor Grütter und Stefanie Grebe herausgegebene Katalog "Mustafas Traum. Fotografien von Henning Christoph zum türkischen Leben in Deutschland 1977–1989" präsentiert mehr als 150 Schwarzweiß- und Farbfotografien, die die Freundschaften des Fotografen sowie seine Teilnahme am türkischen Alltag abbilden und von seiner gestalterischen Souveränität zeugen. Der Fotograf Henning Christoph, mehrfacher World Press Photo-Preisträger, fotografierte von 1977 bis 1989 das Leben von Arbeitsmigrant:innen in Deutschland mit Schwerpunkt im Ruhrgebiet. Mit den Bilder zum Alltagsleben, einem aktuellen Gespräch mit Henning Christoph und einem Abdruck der legendären GEO-Reportage "Die deutschen Türken" (1979) liegt mit diesem Katalog die erste Monografie des Fotografen zum Thema türkische Migration vor.
Der 240 Seiten starke Katalog kostet 24,95 € und ist im Klartext Verlag erschienen. ISBN-Nummer 978-3-8375-2482-1.
Die vorliegenden Unterrichtsmaterialien unterstützen die Vorbereitung und Vertiefung des Ausstellungsbesuches im Sinne eines nachhaltigen Bildungserlebnisses, indem es unterschiedliche Wege der Annäherung an die Themen »Migration« im Allgemeinen und »türkische Arbeitsmigration seit den 1960er Jahren« sowie »türkisch-deutsches Leben« im Besonderen aufzeigt. Die Sammlung richtet sich an Lehrer:innen, die Schüler:innen ab Klasse 9 unterrichten und ist einsetzbar in den Fächern Deutsch, Geschichte, Politik und Gesellschaftslehre. Die Materialien können unabhängig voneinander einzeln und in beliebiger Reihenfolge genutzt werden. Es wurde darauf geachtet, unterschiedliche Bildungsstände sowie individuelle Begabungen, Neigungen und Interessen zu berücksichtigen. Die Eignung und Zuordnung zu einem Fach, einer Jahrgangsstufe und einer Schulform obliegt der Einschätzung der Lehrkraft. Die einzelnen Blätter sind so gestaltet, dass sie bei Interesse gern als direkte Kopiervorlage genutzt werden können.
Unterrichtsmaterialien zur Vorbereitung
Weitere Informationen zur Ausstellung und dem umfangreichen Begleitprogramm finden Sie hier als PDFs zum Download:
Das Ausstellungsprojekt besitzt einen eigenen Instagram-Kanal. Noch mehr Infos, Stories und auch andere Blickwinkel gibt es hier:
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